Vorfertigung

Studentenwohnheim Neue Burse Wuppertal

 
 

Energie- und ressourcenschonendes Bauen ist heute - auch bei Umbaumaßnahmen - unumgänglich. Eine Wohnanlage dieser Größenordnung im Passivhausstandard umzubauen war im Jahr 2004 noch ohne Vorbild. Die damalige Einschätzung und Bewertung des Projekts hat bis heute Bestand.

 

Ein 1977 gebautes Studentenwohnheim entsprach aufgrund der schlechten Gebäudedämmung, konstruktiver Schäden in der Fassade, einer veralteten Gebäudestruktur mit 16 Personen großen Wohngruppen etc. nicht mehr den heutigen Anforderungen. In der Voruntersuchung wurden Entwurfsvarianten von der einfachen Renovierung bis hin zum Totalabriss funktional und wirtschaftlich gegenübergestellt. Der notwendige radikale Umbau, 25 % günstiger als ein Neubau, wurde nach Zusage der Fördermittel durch das Land Nordrhein Westfalen beschlossen. Mit dem Umbau wurden die Wohngruppen in überwiegend Einerapartments umstrukturiert, die ursprüngliche, nicht differenzierte, anonyme Wohnmaschine für über 300 Studenten in vier Flügel und "familiäre" Einheiten auf den einzelnen Ebenen geteilt. Gemeinschaftsbereiche im Gebäude und eine in den Entwurf mit einbezogene Freiraumplanung fördern auch nach der Individualisierung der Bewohnerzimmer das studentische Zusammenleben.

Die maroden Fassaden wurden abgenommen, ein 2 Meter tiefer Rahmen vor das entkernte Gebäude gesetzt und so Platz für eine Küche und ein Bad in jedem Appartement geschaffen. Die neuen Fassaden mit den großen französischen Fenstern wurden vorgefertigt in 12 Meter langen Elementen montiert. So entstand nicht nur technisch, sondern auch hinsichtlich der Lebensqualität ein absolut neuwertiges Gebäude. Das alte Treppenhaus und die nun überflüssigen Gemeinschaftsküchen und Sanitärbereiche wurden aus der Mitte des Gebäudes komplett entfernt. Aus einem Haus wurden zwei Häuser, die nun über zwei vollständig verglaste, lichtdurchflutete Treppenhäuser erschlossen werden. Über die verglaste Ausführung der Treppenräume wurde der ehemals dunkle Verkehrsbereich der Bestandsanlage zu einem Kommunikationsbereich gewandelt, der Verkehrsflächen mit Aufenthaltsbereichen und Aussichtsterrassen mit Blick über die gesamte Stadt Wuppertal vereint.
 

 
 

Projekt

Studentenwohnheim Neue Burse Wuppertal

 
 

Themenbereich

Wohnen & Leben
 

 
 

Bauherr

Hochschul-Sozialwerk Wuppertal

 
 

>20

Jahre Passivhaus-Erfahrung.

 
 
 
 
 
 

Ein besonderer Schwerpunkt wurde auf die Reduzierung des Heizwärmebedarfs gelegt. Hier stellt das Bauvorhaben ein absolutes Novum dar. Mit der Sanierung der Anlage zu einem "Passivhaus" wird erstmalig in einem Umbau dieser Größenordnung bewiesen, dass dieser Standard schon lange nicht mehr ein Hobby exzentrischer "Öko-Freaks" ist. Nicht ohne Grund wurde auf der 6. Passivhaus-Tagung in Basel ein eigener Themenblock "Sanierung im Passivhaus-Standard" eingeführt, in dem auch dieses Bauvorhaben als Pilotprojekt vorgestellt wurde.

Die Vorurteile und Bedenken gegenüber Passivhäusern konnten auch anhand solcher Pilotprojekte aus dem Weg geräumt werden. Aus dem Grund war die Realisierung solcher Prototypen seinerzeit so wichtig. Nur so kann die Funktionsfähigkeit derartiger Gebäude in der breiten Öffentlichkeit unter Beweis gestellt und Vertrauen aufgebaut werden.

 

Die marode Fassade aus Betonfertigteilen wurde abgenommen und recycelt. Da jedes Apartment eine Küche und ein Bad erhalten sollte, musste Platz für diesen zusätzlichen Raum geschaffen werden. Ein ca. 2 Meter tiefer Rahmen wurde vor das freigelegte "Kartenhaus" gebaut. So wurde der Umbau in vorwiegend Einzelappartements ohne Verlust von Wohnheimplätzen möglich. Der vorgesetzte Rahmen gibt die nötige Aussteifung und beinhaltet die Leitungsführung für die Medienanschlüsse. Aufgrund dieser neuen Aussteifung konnten das alte Treppenhaus und die überflüssig gewordenen Sanitäreinrichtungen - das ehemalige funktionale statische Zentrum - aus der Mitte entfernt werden. Aus einem Haus wurden zwei Häuser.

Die zwei vollständig verglasten, lichtdurchfluteten Treppenhäuser im neugeschaffenen Freiraum zwischen den Gebäudehälften bilden eine nicht beheizte Pufferzone und dienen als Kommunikationsfläche. Diese thermische Auslagerung der Nebenräume und Verkehrswege war hier Grundvoraussetzung für die Realisierung des Passivhaus-Standards. Eine Dämmung dieser Funktionsbereiche und die damit einhergehende Konditionierung über aufwändige Heiz- und Lüftungssysteme hätte nicht nur das energetische Gesamtsystem ad absurdum geführt, sondern auch den finanziellen Rahmen gesprengt. Die Low Tech-Ausführung des Treppenhauses ohne Ausbaumaterialien unter Verwendung einfachster Industrieprodukte wird zum maßgebenden Gestaltungsmerkmal.
 

 
 

Awards

Deutscher Holzbaupreis 2005,
2. Preis

Architekturpreis Zukunft Wohnen 2004

Deutscher Bauherrenpreis 2002

Auszeichnung guter Bauten 2000,
BDA Wuppertal

 
 

Urheber

Petzinka Pink, Düsseldorf
Prof. Karl-Heinz Petzinka, Thomas Pink
in Zusammenarbeit mit
Architektur Contor Müller Schlüter
Michael Müller, Prof. Christian Schlüter

 
 

In Zusammenarbeit mit

FSWLA Landschaftsarchitektur, Düsseldorf

Farb-Bau, Prof. Friedrich Schmuck, Dinslaken

 

 
 

Mit dem Umbau der Wohnanlage zu einem "Passivhaus" konnte der Heizwärmebedarf auf ca. 10 % des Bestandsbedarfs reduziert werden. Die Einsparungen des CO2-Ausstoßes liegen bei einer Größenordnung, die für die Beheizung von 150 Einfamilienhäusern notwendig ist.

 
 
 
 
 
 

In enger Zusammenarbeit mit dem Bauherrn konnte der Nachweis der besonderen Nachhaltigkeit des vorgestellten Entwurfes geführt werden. Insbesondere auch wegen der erheblichen Energieeinsparung, einer Reduzierung des Heizwärmebedarfs auf Passivhaus-Standard, also auf weniger als 10% des Bestandsgebäudes, wurde die Umbaumaßnahme durch das Land Nordrhein-Westfalen gefördert.

Das solche Gebäude nicht nur technische Funktionsapparate sind, sondern ihnen ebenfalls eine Seele eingepflanzt werden kann, Raumqualitäten und Erlebniswelten entstehen, sollte für ein von Architekten geschaffenes Werk selbstverständlich sein. Nur so können Passivhäuser akzeptiert werden. Wir hoffen, daß wir in diesem Sinne einen Beitrag zum nachhaltigen Bauen und Wohnen leisten konnten.

 
  • Die Verwandlung

    In der vorgegebenen, tragenden Schottenstruktur wurde eine komplette Umorganisation des Gebäudes vorgenommen. Statt der umfassenden Wohngruppen mit zweimal 16 Personen pro Sanitär- und Küchenbereich ließen sich größtenteils Einzelapartments mit eigenem Duschbad, einer Küchenzeile und einer zeitgemäßen Infrastruktur, z. B. mit direktem Anschluss an das Hochschulrechenzentrum erstellen. Der zusätzliche Raum für die Sanitäreinheiten der Appartements wurde über die Erweiterung des Rohbaus um ca. 2 m vor den freigelegten Schottenbau geschaffen. Dieser 2 m tiefe, vor das Gebäude gestellte Rahmen übernimmt gleichzeitig die Aussteifung des Gebäudes, da zu einem späteren Zeitpunkt das bis dahin aussteifende Treppenhaus aus der Mitte des Gebäudes entfernt wurde. An den Stirnseiten der einzelnen Flügel wurden Sondereinheiten geplant, die als Doppel- oder Behindertenapartments ausgebildet werden konnten.

  • Das Sanierungskonzept

    Die Katalogisierung der Defizite zum Bestand ergab folgendes: Neben der vollkommen veralteten Haustechnik wurde als Hauptmangel, eine unzureichend gedämmte und gedichtete Fassade ausgewiesen. Die als Fertigteile vorgehängten, kerngedämmten Fassadenplatten entsprachen grundsätzlich nicht mehr den heutigen Anforderungen an den Wärmeschutz, darüber hinaus führte die auf bis zu 2 cm reduzierte Dämmung im Deckenbereich und eine Fügetechnik mit Dichtebenen über "dauerelastische" Fugen zur dauerhaften Durchfeuchtung ganzer Bauteile. Konstruktive Schäden und daraus resultierende raumhygienische Mißstände waren die Folgen.

    Die Wohnanlage war in zwei Häuser mit jeweils ca. 300 Bewohnern unterteilt. Die beiden Gebäude waren jeweils flügelförmig um ein zentrales, wenig belichtetes, Treppenhaus gruppiert. Die Wohngruppen waren mit 16 Personen viel zu groß, zentrale Gemeinschaftsküchen und Sanitäreinheiten für 32 Personen, fehlende Medienanschlüsse, Reduzierung der Fensterflächen auf das nach Bauordnung Notwendige, etc. entsprachen nicht den heutigen Anforderungen. Die somit fehlende Attraktivität des Wohnraumes führte zu Leerständen und zur Entstehung eines sozialen Brennpunktes.

    In unterschiedlichen Szenarien wurden nach der Bestandsaufnahme seitens der Architekten Maßnahmen hinsichtlich ihrer Investitions- und Betriebskosten untersucht. Die Reduzierung auf Sanierungs- und Renovierungsarbeiten bezüglich der bautechnischen Mängel, zeigte sich als langfristig nicht wirtschaftliche Lösung, da die Situation der Vermietbarkeit und der stetig steigenden Betriebskosten auf diese Weise nicht verbessert werden konnte. Unterschiedliche Sanierungsmaßnahmen mit erheblichen baulichen Veränderungen wurden einem Totalabriß und Neubau gegenübergestellt. Mit der letztendlich ausgewählten Umbaumaßnahme konnten die Baukosten im Vergleich zu einer Neubaumaßnahme um 25 % reduziert werden. Seitens des Bauherren und der Architekten wurde der Nachweis bzgl. der besonderen Nachhaltigkeit des vorgestellten Entwurfes geführt. Insbesondere auch wegen der erheblichen Energieeinsparungen wurde die Umbaumaßnahme durch das Land Nordrhein Westfalen, das Ministerium für Schule, Wissenschaft, Weiterbildung und Forschung gefördert. Das Vorhaben wurde zu einer besonderen Herausforderung da oft unkonventionelle Wege gegangen werden mußten.

  • Das „warme“ Gebäude

    Aus den Treppenräumen gelangt man in den "warmen Teil" des Gebäudes, in die einzelnen Flure, über die 10 bis 14 Apartments in "familiären Größen" zusammenwachsen. Eine differenzierte Farbgestaltung dieser Flure verleiht, trotz der durch den Bestand vorgegebenen Dimensionierung, jedem Flur einen individuellen Charakter. Orientiert am Sonneneinfall wechseln harmonische, mit Spannung erzeugende Farbwelten, werden der warmen Südsonne kalte Farben entgegengesetzt und umgekehrt. Entlang dieser Flure reihen sich die Apartments, deren Atmosphäre bestimmt wird durch das weit in den Raum fallende Sonnenlicht und den Ausblick in das umliegende Grün, bzw. über die Stadt sowie die warmen Materialien, wie das Eichenparkett.

    Der aufgezeigte strukturelle Umbau wurde grundsätzliche sowohl für den ersten als auch für den zweiten Bauabschnitt durchgeführt. Abweichungen liegen in den durch die Topographie gegebenen unterschiedlichen Gestaltungen. Bezüglich der Wärmedämmstandards und der eingebauten Heiz- und Lüftungsanlagen wurden die Bauabschnitte unterschiedlich behandelt. Der erste Bauabschnitt wurde als Niedrigenergiehaus gebaut, der zweite Bauabschnitt wurde als Passivhausausgeführt. Das sehr kompakte Gebäude mit einem günstigen A/V Verhältnis wurde komplett ummantelt mittels einer vorgehängten Holztafelkonstruktion. Die Fassade wurde werkseitig in 12 Meter langen Elementen, inkl. der inneren und äußeren Beplankung sowie den Fenstern und der Absturzsicherung vorgefertigt. Diese Vorfertigung hat nicht nur zu erheblichen Bauzeitverkürzungen und wieder verwendbaren, weil zerstörungsfrei demontierbaren Bauteilen geführt, sondern stellt auch eine erhebliche Qualitätsverbesserung in der Ausführung dar. Z.B. ist die Reduzierung der auf der Baustelle zu schließenden Fugen ein Garant für die Abdichtung des Gebäudes. Die so erreichte äußerste Reduktion von Transmissionswärmeverlusten bei einem dazunoch diffusionsoffenen Aufbau der Wand, stellt ein wesentliches Qualitätsmerkmal dar.